DBSV . Rungestraße 19 . 10179 Berlin
An die
Landesvereine/-verbände im DBSV,
die korporativen Mitglieder
und die Mitglieder des DBSV-Präsidiums
Nachrichtlich an
die Referenten des DBSV
Durchwahl: -180 Berlin, 01.04.2015
Az.: 142-1.2
Mitteilung der Rechtsabteilung Nr. 02/2015
Pkw-Maut
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Pkw-Maut soll unter dem Namen „Infrastrukturabgabe“ zum 1.1.2016 in Deutschland eingeführt werden. Das vom Bundestag nunmehr beschlossene „Infrastrukturabgabengesetz (InfrAG)“ sieht folgendes vor: Die Abgabe gilt für die Benutzung von Bundesfernstraßen (= Autobahnen) durch Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 3,5 t. Schuldner der Abgabe ist der Halter des Kraftfahrzeugs oder bei im Ausland zugelassenen Fahrzeugen wahlweise auch der Fahrer des Fahrzeugs auf den abgabepflichtigen Strecken. Für sein in Deutschland zugelassenes Fahrzeug erhält jeder Halter einen Bescheid, der die Höhe der Abgabe (sie ist nach Kfz-Alter, Motortyp und Hubraum gestaffelt) genau festlegt. Dieser Betrag (im Schnitt um die 88 Euro im Jahr) wird dann durch einen entsprechenden Freibetrag bei der Kfz-Steuer kompensiert. Unterm Strich gesehen wird also die Abgabe nur für im Ausland zugelassene Fahrzeuge kassiert. § 2 InfrAG regelt die Ausnahmen von der Abgabepflicht. Ausgenommen sind praktisch alle Fahrzeuge, die von der Kfz-Steuer ganz oder teilweise befreit sind, unter anderem solche für Krankentransporte, Rettungsfahrten, Straßenbauarbeiten und die Behördenfahrzeuge. Für Fahrzeuge von Schwerbehinderten gilt § 2 Abs. 1 Nr. 12. Die Regelung lautet:
„Die Infrastrukturabgabe ist nicht zu entrichten für die Benutzung von Straßen (…) mit (…) 12. Kraftfahrzeugen, die für schwerbehinderte Personen zugelassen sind, die durch einen Ausweis im Sinnes des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder des Artikels 3 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 9. Juli 1979 (…) a) mit dem Merkzeichen „H“, „Bl“ oder „aG“ nachweisen, dass sie hilflos, blind oder außergewöhnlich gehbehindert sind oder b) mit orangefarbenem Flächenaufdruck nachweisen, dass sie die Voraussetzungen des § 145 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erfüllen.“
Unter Buchstabe a) fallen jene Behindertengruppen, die Ansprüche auf Freifahrt und Kfz-Steuerbefreiung haben, darunter die blinden und die hochgradig sehbehinderten Menschen. Unter Buchstabe b) fallen jene Gruppen, die zwischen Freifahrt und Kfz-Steuerermäßigung wählen können, darunter Personen, die wegen der Sehbehinderung einen GdB von 70 haben. Das vorab zitierte alte Gesetz von 1979 bezieht sich auf Kriegsopfer, die damals aufgrund einer Bestandsregelung den nach SGB IX anerkannten Schwerbehinderten gleichgestellt wurden.
Was bedeutet die Befreiung von der Infrastrukturabgabe? Da auch alle anderen deutschen Kfz-Halter durch die Abgabe nicht belastet werden, hat sie eigentlich nur die Funktion, dem begünstigten Personenkreis die Rechte auf Befreiung oder Ermäßigung der Kfz-Steuer ungeschmälert zu erhalten. Sie wirkt sich deshalb auch nicht doppelt aus, wenn ein Schwerbehinderter zwei Fahrzeuge auf seinem Namen laufen hat, denn die Kfz-Steuerbefreiung oder -ermäßigung wird jeweils nur für ein Fahrzeug gewährt. Dies wurde von den Verfassern der Gesetzesbegründung im Referentenentwurf noch verkannt: Dort war zu lesen, dass die im Kfz-Steuergesetz geregelte Beschränkung der Befreiung/Ermäßigung auf ein Fahrzeug pro Halter für das InfrAG nicht gelte, weshalb letzteres günstiger sei. Diese Aussage ist denn auch in der Begründung des Regierungsentwurfs nicht mehr enthalten.
Wie erfolgt die Befreiung von der Infrastrukturabgabe? Der „Ausnahmetatbestand“ wird vom Kraftfahrt-Bundesamt in einem „Infrastrukturabgaberegister“ von Amts wegen eingetragen. Eingetragen werden dort auch die abgabepflichtigen Fahrzeuge, die dann eine „elektronische Vignette“ erhalten. Auf diesem Wege können dann bei Kontrollen durch Abruf der Daten entweder der Ausnahmetatbestand oder eben die elektronische Vignette als vorliegend bestätigt werden. Die Kfz-Halter, die die Kfz-Steuer zahlen müssen, werden außerdem verpflichtet, dem Kraftfahrt-Bundesamt eine Einzugsermächtigung zu erteilen, so dass die Infrastrukturabgabe und die dann entsprechend geminderte Kfz-Steuer jeweils gesondert abgebucht werden können.
Eine Sonderregelung gilt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 4 InfrAG für Fahrzeuge, die im Ausland angemeldet sind, wenn die Halter „ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben oder die sich aus beruflichen oder persönlichen Gründen regelmäßig mit ihrem Kraftfahrzeug in die Bundesrepublik Deutschland begeben und die nachweisen können, dass sie hilflos, blind, gehörlos, außergewöhnlich gehbehindert oder infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, sowie für Fahrzeuge, die für Personen zugelassen sind, die die Voraussetzungen für des § 17 Kraftfahrzeugsteuergesetz erfüllen.“ (Bei den letztgenannten Personen handelt es sich wiederum um die alten Kriegsopfer.) Diese Sonderregelung, so die Begründung, ist Artikel 18 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union geschuldet. Da in diesen Fällen die Strukturabgabe nicht durch eine Regelung im ausländischen Kfz-Steuerrecht kompensiert wird, haben wir es hier mit einer echten Abgabebefreiung zu tun.
Kommentar:
Mit der Einführung der Infrastrukturabgabe ist ein riesiger Verwaltungsaufwand verbunden. Allein schon dadurch, dass alle in Deutschland gemeldeten Pkw nach differenzierten Abgabebeträgen sortiert und registriert werden müssen. Diesem riesigen neuen Aufwand, stehen – vorerst – keine neuen Einnahmen gegenüber. Diesen Aufwand damit zu rechtfertigen, dass nur so die Maut auf die ausländischen Fahrzeuge beschränkt werden kann, wäre alles andere als überzeugend. Die Maßnahme macht vielmehr nur dann Sinn, wenn sie der Einstieg in eine schon bald darauf nicht mehr durch die Kfz-Steuer kompensierte Maut ist, mit der die deutschen Autofahrer zusätzlich zur Kasse gebeten werden. Es bleibt zu hoffen, dass dann wenigstens die schon jetzt geregelten „Ausnahmetatbestände“ weiterhin Bestand haben werden. Und mögen dann auch die Einschränkungen des Kfz-Steuergesetzes übernommen werden (Beschränkung auf ein Fahrzeug, und bei der Personengruppe b) nur alternativ zur Freifahrt).
Mit freundlichen Grüßen
gez.Thomas Drerup