Bericht aus der Oberbergischen Volkszeitung vom 14.12.2016

Sensibel sein und ganz viel reden

Krankenpflegeschüler hatten Besuch vom Blinden- und Sehbehindertenverein

Lisa hebt die Hand, denn sie hat eine Frage. Dann stutzt die junge Frau und beginnt, in den Klassenraum zu sprechen – ohne dass sie dazu aufgerufen wurde. Denn derjenige, dem sie die Frage stellen wollte, ist blind.

Genau darum geht es an diesem Tag in den Räumen des Gesundheits- und Bildungszentrums des Kreiskrankenhauses Gummersbach: um den Umgang mit blinden oder sehbehinderten Menschen.

Bodo Isenhardt, stellvertretender Vorsitzender des Oberbergischen Blinden- und Sehbehindertenvereins, ist mit seiner Partnerin Christine Wosnitza und Führhund Ronja zu Gast, um den Krankenpflegeschülern im ersten Ausbildungsjahr praktische Tipps zu geben.

Aus der Praxis heraus lernen

Dirk Broß, Leiter des Gesundheits- und Bildungszentrums, begrüßt den Besuch: „Für die Schüler ist es gut, wirklich aus der Praxis heraus zu lernen, Betroffenen ihre Fragen stellen zu können.“

Isenhardt und Wosnitza beantworten alle diese Fragen, beeindrucken die Schüler aber auch mit praktischen Übungen mit Augenbinden und Simulationsbrillen. Lisa Odenthal (19) und Ina Iwaskewitsch (17) sind in der ersten Gruppe, die mit Wosnitza übt.

Ina versucht es mit der Augenbinde. Schlagartig ist die sichtbare Welt verschwunden, besteht nur noch aus Geräuschen. „Ich war plötzlich regelrecht ängstlich, total unsicher“, sagt sie. Von Christine Wosnitza wird sie vorsichtig durch eine Tür geführt. „Unglaublich – selbst das ging mir zu schnell“, ist die Schülerin beeindruckt. Lisa macht die Erfahrung, dass schon eine schwere Erkrankung der Augen ein großes Handicap sein kann. Nachdem sie die Simulationsbrille
abgesetzt hat, erklärt sie: „Es fiel mir richtig schwer, mich zu konzentrieren. Ich habe mich ziemlich hilflos gefühlt.“

Die Schüler sollen das Fingerspitzengefühl entwickeln, Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung bei einem Krankenhausaufenthalt einerseits zu helfen, ihnen aber andererseits die größtmögliche Selbstständigkeit zu erhalten.

Darauf hofft Bodo Isenhardt, der viel aus seinem Alltag erzählt. So legt er den jungen Leuten ans Herz, immer mit den Patienten zu reden, keine Scheu zu haben, sie zu nerven. „Für uns ist es zum Beispiel ganz wichtig zu wissen, wo die Medikamente abgelegt wurden. Selbst beim Essen ist es hilfreich, wenn man erfährt, was wo auf dem Teller liegt. Also lieber zu viel als zu wenig erklären.“ Den Schülern müsse klar sein, dass ein Blinder einen höheren Bedarf an Betreuung habe, zu den Untersuchungen geführt werden müsse.

„Fassen sie denjenigen, der geführt werden soll am Ellbogen oder, an Engstellen auf dem Weg, an der Hand und erklären sie ihm genau, was er tun soll, in welche Richtung es geht“, erklärt Wosnitza. Bei Treppen sollen die Schüler die erste und letzte Stufe ansagen, der Geführte sollte einen halben Schritt hinter dem Führenden gehen, um sich zu orientieren.

Es sind im Grunde leicht umsetzbare Tipps, die Isenhardt und Wosnitza den jungen Leuten mitgeben – aber sie können das Leben blinder und sehbehinderter Menschen sehr erleichtern.

Mit der Augenbinde erfuhren die Schüler, was es heißt, blind zu sein.

Von Katja Pohl