Archiv für den Monat: Februar 2016

Steicheln bei der Arbeit ist tabu

Artikel von Katja Pohl aus der Oberbergischen Volkszeitung vom 13.02.2016

Pudel Ronja ist Führhund und nicht nur für ihren Besitzer Bodo Isenhardt etwas Besonderes

Ronjas dunkelgraue Löckchen verlocken dazu, die Hände in ihnen zu vergraben, die Königspudeldame mit Streicheleinheiten zu verwöhnen. Im Haus ist das erlaubt. Die zweijährige Hündin genießt die Zuwendung. Doch jenseits der Haustür wird Ronja zu einer Unberührbaren.

Dort fängt ihre Arbeit an. Ronja ist ein Blindenführhund. Wenn sie ihr Geschirr trägt, muss sie sich auf die Kommandos ihres Besitzers Bodo Isen hardt konzentrieren, denn der 47-Jährige muss sich seinerseits auf Ronja verlassen können. “Die wenigsten Menschen wissen, dass Führhunde bei der Arbeit nicht abgelenkt werden dürfen, doch für mich ist das enorm wichtig. Wenn Ronja etwas übersieht, kann das für uns beide zum Problem werden”, so Isenhardt.

Der stellvertretende Vorsitzende des Oberbergischen Blinden- und Sehbehindertenvereins verlor sein Augenlicht 2001 aufgrund einer Diabetes. Bei der Orientierung halfen ihm zunächst die Familie, mit der er damals noch unter einem Dach lebte, und der Stock, mit dem er Hindernisse ertasten, Bordsteine oder Treppen. “Aber seitdem habe ich auch von einem Führhund geträumt”, sagt er. Ein Hund ermögliche größere Mobilität und ein zügigeres Gehen. Nachdem sich Isenhardts Wohnsituation verändert hatte – er zog mit Lebensgefährtin Christine Wosnitza in ein Haus in Oberwiehl – stellte er 2013 bei der Krankenkasse den Antrag auf einen Führhund. Einen Pudel, da Isenhardts Lebensgefährtin eine Tierhaarallergie hat. Blindenführhunde sind oft Labradore oder Retriever, Pudel sind etwas seltener. Als der Antrag bewilligt wurde, war die Freude groß.

Ein Führhund ist kein Schnäppchen. Ronja hat 27.000 Euro gekostet. Die Summe setzt sich aus der Anschaffung, den Tierarztkosten, denn Führhunde müssen absolut gesund sein, und den Kosten für die Ausbildung zusammen. Ronja wurde in Neuburg an der Donau in Bayern ausgebildet. Ihr erstes Lebensjahr verbrachte sie in einer Patenfamilie, die ihr mit viel Geduld die ersten Kommandos, sogenannte “Hörzeichen” beibrachte. Führhunde können rund 70 Hörzeichen erkennen. Dann kam sie zu Maria und Wolfgang Seitle, deren Blindenführhundschule eine von 20 deutschlandweit ist.

Maria Seitle reiste schließlich zum Feinschliff für zwei Wochen nach Oberwiehl. Hier gingen Isenhardt, Ronja und die Trainerin wichtige Wege ab, ermöglichten der Hündin – sie weiß nicht nur, wo rechts und links ist, sondern auch Zebrastreifen oder Ampeln findet, eine erste Orientierung. Die Gespannprüfung legten Ronja und ihr Besitzer vor zwei Prüfern im Januar erfolgreich ab – jetzt sind sie wirklich eine Einheit. So wie der Vereinsvorsitzende Hans-Jürgen Aha, der mit Labrador Cooper unterwegs ist. In der Küche in Isenhardts Haus hatten die beiden Hunde noch miteinander gespielt, draußen im Geschirr sind die Tiere nur noch für ihre Besitzer da. Aha: “Es gibt eine Liste von Bitten , die wir an die Menschen haben.Es ist ja nicht böse gemeint, wenn wir nicht möchten, dass unsere Hunde gestreichelt werden.” Er bewundert die Vierbeiner. “Diese Hunde haben ein tolles Gedächtnis und sind hochsensibel.”

Blindenführhunde müssen sich auf ihre Arbeit konzentrieren, dürfen also weder gestreichelt, noch gefüttert, noch irgendwie erschreckt werden. Andere Hundebesitzer sollten ihre Tiere zurückhalten und den Blinden mit seinem Führhund zügig umgehen.

Führhunde dürfen Lebensmittelgeschäfte betreten, dafür sollten andere Einkaufende Verständnis haben. Zugestellte Gehwege zwingen Passanten, auf die Straße auszuweichen – auch das kann für einen sehbehinderten Menschen und den Führhund gefährlich werden.
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Foto 1 Bodo Isenhard mit Ronja im Führgeschirr. Im Hintergrund das Holzhaus mit den roten Fenstern

Größere Mobilität ermöglicht Blindenführhund Ronja ihrem Besitzer Bodo Isenhardt. Der 47 Jährige legte die Gespannprüfung mit seiner Königspudeldame vor wenigen Wochen erfolgreich ab. (Fotos: Hoene)