Archiv für den Monat: November 2010

Der Basispass für Pferdekunde ist auch für Menschen mit einer Sehbehinderung möglich!

Erfolgreiche Prüfungstage beim Therapiestall Gummersbach für Reiter mit und ohne Handicap

 

Im September 2010 fand ein Vorbereitungskurs mit anschließender Prüfung für die Erlangung des Basispasses für Pferdekunde, Reitabzeichen 3 + 4 und Longierabzeichen 2 + 4 im Therapiestall Gummersbach (Inhaberin Hildegard Kramer) statt. Teilgenommen haben Reitschüler des Therapiestalls Gummersbach und Kursteilnehmer der Volkshochschule Kierspe. Allen Teilnehmern wurde der theoretische Teil des Basispasslehrgangs durch Patricia Stiletto (Trainer C-Westernreiten) vermittelt. Der praktische Teil erfolgte für beide Gruppen im Therapiestall Gummersbach. Der Basispass ist die Grundlage für alle weiteren Kurse und Abzeichen, die man beim Reiten erlangen kann. Die Besonderheit war, dass Reiter mit und ohne Handicap gemeinsam für die Prüfungen gelernt haben. Die jüngste Teilnehmerin war gerade mal 10 Jahre alt. Hier ging es nicht um die sportliche Leistung, (wie z. B. 1., 2. oder 3. Platz bei den Turnieren für Reiter mit und ohne Handicap), sondern es ging hier um das reine Lernen für die Prüfungen. Bei der Kursleiterin Patricia Stiletto wurden die einzelnen Themen, wie z. B. Pferdegesundheit, Knochen- und Gelenkkunde, Haltung, Pflege, Fütterung, Krankheiten, usw. ausführlich durchgesprochen. Dazu traf sich die Gruppe regelmäßig zum gemeinsamen Lernen. Jeder Teilnehmer konnte sich entscheiden, an welchen Prüfungen er teilnehmen wollte. Wer hier nicht mitschreiben konnte oder wollte, musste ein gutes Gedächtnis haben, um die einzelnen Punkte, die durchgesprochen wurden, zu Hause aufzuarbeiten. Dies musste ich, Jens Kalkuhl, als hochgradig sehbehinderter Handicap-Reiter tun, da ich sonst keine Möglichkeit gehabt hätte, mit den anderen Teilnehmern gemeinsam zu lernen. Die ca. 300 Fragen und Antworten des Basispasses gibt es in entsprechenden Büchern oder Steckspielen zum Nachlesen und Lernen. Nur leider konnte ich durch meine starke Sehbehinderung diese Möglichkeiten nicht nutzen! Daher musste ich alle Fragen und Antworten, die es zum Basispass gab, in meinen PC tippen, um sie mir von meinem Computer immer und immer wieder vorlesen zu lassen. Die zweite Möglichkeit, die ich nutzte, war, dass ich mir alle Fragen und Antworten zum Basispass als MP3 von unserem 2. Vorsitzenden des Oberbergischen Blinden- und Sehbehindertenvereins e.V. (www.obsv.org), Herrn Bodo Isenhardt, umwandeln ließ und diese über einen MP3-Player auch vorspielen lassen konnte, wenn ich unterwegs war. Bei der Prüfung gab es keine Unterschiede, ob Handicap-Reiter oder nicht! Die Prüfung haben zwei Richter der (FN) und eine Richterin der Ersten Deutschen Western-Reiter-Union (EWU) abgenommen. Da die Gruppe aus 27 Teilnehmern bestand, wurde die Gruppe aufgeteilt und an 2 Prüfungstagen geprüft. Zuerst kam der theoretische Teil an die Reihe, danach ging es ans Pferd, dass für den praktischen Teil benötigt wurde. Die einzelnen Teilnehmer mussten den Richtern zeigen, wo sich z. B. die Knochen und Gelenke beim Pferd befinden. Am Ende der zwei Prüfungstage haben es alle 27 Teilnehmer geschafft und die Freude darüber war riesig! Im Therapiestall von Hildegard Kramer ist die Integration zwischen „Jung“ und „Alt“, zwischen „Menschen mit und ohne Handicap“ schon lange kein Thema mehr, denn hier lautet das Motto: Jeder hilft jedem, so wie jeder kann, und das ohne Ausnahme!

 

Hier ist nur mal eine Frage, von den ca. 300 Fragen, die wir an den Prüfungstagen wissen mussten.

 

Nennen und zeigen Sie bitte alle Knochen und Gelenke am Pferd!

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Vorderröhre, Vorderfußwurzelgelenk, Unterarmknochen, Ellenbogengelenk, Oberarmknochen, Buggelenk, Schulterblatt, Unterkiefer, Backenzähne, Schneidezähne, Oberkiefer, Nasenbein, Jochbeinleiste, 7 Halswirbel, 18 Rückenwirbel, 6 Lendenwirbel,

5 Kreuzbeinwirbel, 18 bis 21 Schweifwirbel, Darmbein, Hüfthöcker, Sitzbeinhöcker, Hüftgelenk, Schambein, Oberschenkelknochen, Kniegelenk, Unterschenkelknochen, Sprunggelenkshöcker, Sprunggelenk, Hinterröhre, Fesselgelenk, Krongelenk, Hufgelenk, Kniescheibe, Rippen, Ellenbogenhöcker, Griffelbein, Gleichbein, Fesselbein, Kronbein, Hufbein

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Die Abbildung des Pferdeskeletts mit den einzelnen Knochen und Gelenken befindet sich unterhalb des Textes

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Infos zum THERAPIESTALL GUMMERSBACH gibt es unter:

www.therapiestall-gummersbach.de

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Verfasser: Jens Kalkuhl

 

 

Bildbeschreibungen:

 

Bild 1 zeigt ein Pferdeskelett mit allen Knochen und Gelenken

 

Bild 2 zeigt die ersten 20 erfolgreichen Prüflinge nach Erhalt der Urkunde am 10.10.2010 vor der Reithalle von Hildegard Kramer

 

Bild 3 zeigt die letzten 7 erfolgreichen Prüflinge nach Erhalt der Urkunde am 16.10.2010 vor der Reithalle von Hildegard Kramer

 

Bild 4 zeigt die Urkunde von Jens Kalkuhl

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Artikel aus der Oberbergischen Volkszeitung vom 11.08.2010

Durch den Alltag ohne Augenlicht

Blinde und Sehbehinderte tauschen sich im Verein aus – Viel läuft per Telefon

Von Birgit Kowalski

OBERBERG. Mit 150 Sachen rast der Wagen über die Teststrecke. Am Steuer sitzt der blinde Bodo Isenhardt. „Diese Testfahrt habe ich mir mal gegönnt.“ Soviel zur Frage, ob blinde Menschen auch verrückte Sachen unternehmen können.

Eine andere Frage: Kann man einem Blinden zur Begrüßung die Hand schütteln? Die blinde Theresia Marhoffer streckt Sehenden ihre Hand entgegen. Die können sie dann ergreifen. So einfach geht das. „Mit dieser kleinen Geste helfen wir Blinden den Sehenden, ihre Scheu zu überwinden. Das muss man sich nur bewusst machen“, sagt Theresia Marhoffer lächelnd. Sie ist die Vorsitzende des Oberbergischen Blinden- und Sehbehindertenvereins e.V. (OBSV). Bodo Isenhardt ist ihr Stellvertreter in der Selbsthilfeorganisation.

Den OBSV gibt es seit 1928. Die Mitglieder haben drei bis vier regelmäßige Treffen im Jahr und organisieren Ausflüge. Außerdem besprechen und regeln sie viel am Telefon. Sie unterhalten sich über ihre Augenkrankheiten und tauschen sich über ärztliche Spezialisten sowie über geeignete Kliniken und Hilfsmittel aus. Und sie geben einander Tipps, wie man als Blinder im Alltag besser zurechtkommt.

Bodo Isenhardt ist ein gefragter Ratgeber in allen Lebenslagen. Sein Motto: „Ich bin blind, aber nicht hilflos.“ Isenhardt ist gewandt im Umgang mit allen Medien.

Sein Computer ist mit der entsprechenden Software und einer speziellen Tastatur auf seine Bedürfnisse zugeschnitten. Sein multifunktionales Mobiltelefon sagt ihm die Tasten und Menü-Ebenen an. „Handy und Software kosten zusammen über 800 Euro“, merkt Isenhardt an.

Weil das die Krankenkasse nicht erstattet, verzichten die meisten Sehbehinderten auf Handys und greifen zum Festnetztelefon. So regeln sie die meisten Angelegenheiten im OBSV, denn: „Im Oberbergischen sind Sie ohne Auto nicht mobil. Und als Blinder sind Sie absolut aufgeschmissen“, sagt Isenhardt. Und nicht nur im Oberbergischen.

Barrierefreiheit, sagt Bodo Isenhardt, sei in den letzten Jahren ein großes Thema. „Das bedeutet, dass es keine Hindernisse für Rollstuhl-Fahrer gibt.“ Es bedeute aber noch lange nicht, dass etwas auch für Blinde erreichbar ist. Isenhardt: „Blinde werden doch relativ häufig vergessen.“

Der nächste gemeinsame Ausflug geht Ende des Monats zur Kokerei Hansa in Dortmund, die sich im Rahmen der „Kulturhauptstadt Ruhr 2010“ vorstellt. „Die ist für uns auch nicht barrierefrei, aber zumindest barrierearm“, sagt Isenhardt.

Hilfe bleibt für viele Blinde und Sehbehinderte wichtig. Theresia Marhoffer: „Für uns wäre es schön, wenn sich Menschen fänden, die uns ehrenamtlich helfen würden. Als Fahrer oder als Begleiter.“

www.obsv.org

Infokasten , Die Gruppe:

Der Oberbergische Blinden- und Sehbehindertenverein (OBSV e.V.) wurde am 17. November 1928 im „Lokal Becker“ in Gummersbach gegründet – als „Blindenverein für den Oberbergischen Kreis“.

Die Gründungsversammlung leitete der evangelische Gummersbacher Pfarrer und Superintendent des Kirchenkreises An der Agger, Herbert von Oettingen. 18 Gründungsmitglieder nahmen teil, Vorsitzender wurde Otto Hollweg. Sehbehinderte kamen erst in den 1990er Jahren dazu.

Heute hat der Verein 32 Mitglieder , die sich drei bis vier mal im Jahr treffen. Nächster Termin ist Dienstag, 31. August. Dann geht es nach Dortmund in die Kokerei Hansa.

Kontakt zum OBSV über Theresia Marhoffer, (0 22 93) 93 97 31 oder Bodo Isenhardt, (0 22 62) 999 66 02. (sül)

Sommerausflug 2010

Sommerausflug 2010
Pünktlich um 08.00 Uhr standen die Teilnehmer am Dienstag, dem 31.08.2010 bereit. Endlich ging es wieder auf Tour, denn der Oberbergische Blinden- und Sehbehindertenverein veranstaltete für seine Mitglieder den diesjährigen Sommerausflug. Insgesamt 14 Mitglieder sowie 13 Begleitpersonen besuchten die Kokerei Hansa in Dortmund. Die im Stadtteil Huckarde gelegene Anlage wurde im Jahre 1992 stillgelegt und befindet sich seither in der Obhut der Industriedenkmal-Stiftung. Ihr Vorsitzender Peter Strege stellte der Gruppe in einer 2-stündigen Führung das weitläufige Betriebsgelände vor. Da der freie Künstler und Schriftsteller Strege auch schon vor der Stilllegung auf der Anlage wohnte, konnte er viele Anekdoten und so manches Detail aus der Geschichte der Großkokerei wiedergeben. „Radieschen würde ich hier keine anpflanzen“, sagt Strege und spielt damit auf die vermutlich schlechten Bodenverhältnisse an. Auch ist der nach faulen Eiern stinkende Schwefel noch heute an einigen Stellen deutlich zu riechen. „Wenn die Zechenarbeiter früher nach getaner Arbeit in die Kneipe gingen, waren sie herzlich willkommen“, führt Peter Strege weiter aus. „Wenn die Männer aus den Kokereien kamen, rümpften die anderen Gäste wegen des Geruchs ihre Nasen.“ Das Herzstück der 1928 in Betrieb genommenen Anlage sind die Ofenbatterien, in denen einst bei über 1000 Grad Celsius Steinkohle zu Koks „gebacken“ wurde. Die benötigte Kohle bezog die Kokerei von den benachbarten Zechen und lieferte das Koks an Dortmunder Hüttenwerke. Höhepunkt des Rundgangs war das Maschinenhaus mit seinen gewaltigen Gaskompressoren. Denn aus dem Gasgemisch, das bei der Verkokung entstand, wurden wichtige Grundstoffe für die chemische Industrie gewonnen. Heute führt der Erlebnispfad „Natur und Technik“ über das gesamte Gelände. Denn auch die Natur hat sich ihr Recht zurückgeholt und seit der Stilllegung die Anlage in eine grüne Oase verwandelt. „Beim Baumbestand wird es allerdings schwierig, denn auf dem Boden fühlen sich nur Birken und Pappeln wohl“, erläutert Strege. „Und die Pappeln stammen ursprünglich aus Nordamerika , denn während eines Versorgungsengpasses wurde Steinkohle aus Kanada importiert.“ Die Gruppe hörte den beeindruckenden Erläuterungen Streges aufmerksam zu. Hierdurch war es auch den sehbehinderten und blinden Vereinsmitgliedern möglich, eine genaue Vorstellung von den Arbeitsabläufen der Koks- und Gasherstellung zu erhalten. Zum Schluss konnten noch Stücke von Kohle sowie Koks abgetastet werden. Nach einer Stärkung fuhr die Gruppe weiter ins nahegelegene Walltrop. Die gleichnamige ehemalige Zeche wurde aufwendig saniert und heute befindet sich dort der Stammsitz der Firma Manufactum. Seit der Neueröffnung vor neun Jahren wird hier ein Warensortiment präsentiert, welches sich von dem anderer Anbieter deutlich unterscheidet. „Blinden und sehbehinderten Menschen bieten sich leider nur wenig Gelegenheiten zum ausgiebigen Shopping“, sagt Theresia Marhoffer, die 1. Vorsitzende. „Wir sind daher immer neugierig, wenn wir etwas Neues erleben können. Wir veranstalten aber nicht nur Ausflüge, sondern stehen Betroffenen und Angehörigen mit Rat und Tat zur Seite.“